Reise durch die Geschichte des Naturpark Föhrenberge
Von Künstlerln, Kaiserinnen und Königen
Es gibt wohl kaum eine Gegend in Österreich, die so mediterran anmutet wie die Föhrenberge zwischen Mödling und Perchtoldsdorf. Die Schwarzföhrenwälder und die sonnengebleichten Kalkfelsen, lichtdurchflutet und harzduftend, verleihen der Landschaft einen Hauch von romantischem Süden.
Dieses einladende Bild ist aber erst in den letzten zwei Jahrhunderten entstanden. Auf kahlen Hängen und karger Vegetation entstand durch Menschenhand eine Gegend, die an markanten Punkten mit malerischen Bauten im antiken Stil und künstlichen Ruinen akzentuiert wurde. Kein Aufwand wurde gescheut, um die Wirkung der von Natur aus pittoresken Gegend noch zu steigern. Die Vorgabe dabei war klar: Die Landschaft sollte schlichtweg neu erfunden werden.
Am Beginn dieser beispiellosen Umgestaltung stand ein Kaufvertrag. Fürst Johann I. von Liechtenstein (reg. 1805- 1836) machte sich selbst ein Weihnachtsgeschenk und erwarb am 24. Dezember 1807 mit seiner Unterschrift die Herrschaft Burg Mödling, die Feste Liechtenstein, und weitere ausgedehnte Liegenschaften westlich der Stadt, später kam auch die Herrschaft Sparbach hinzu. Johann I. verordnete dem Landstrich um die Burgruine Liechtenstein aus dem 12. Jahrhundert, in dem er mit der das Gebiet seiner Ahnen zu erkennen glaubte, sofort ein rigoroses Umgestaltungsprogramm. Die kahlen, verkarsteten Felsen und wasserlosen Abhänge, die sich bestenfalls als Schafweide nutzen ließen, wurden mit genügsamen Schirmföhren bepflanzt. Humus und Wasser mussten durch ein Heer von Waldarbeitern auf die Höhen geschleppt werden, doch binnen weniger Jahre waren die Mühen von Erfolg gekrönt.
Die Schirmföhre hat bis heute der Region ihren Charakter gegeben und ist zum Wahrzeichen des Landstrichs zwischen Mödling und dem Wiener Stadtrand geworden, der zu Recht als der schönste Teil des Wienerwaldes gilt und das größte zusammenhängende Vorkommen der Schwarzkiefer darstellt
Fürst Johann krönte sein Gestaltungskonzept mit einer romantisch inspirierten Fantasiearchitektur an markanten Punkten. Dazu zählt vor allem der weithin sichtbare „Husarentempel“ auf dem „Kleinen Anninger“. Ursprünglich wurde das Gebäude als „Tempel des Kriegsruhms“ bezeichnet. Eine Legende erzählt, dass die hier Bestatteten Husaren waren, die Fürst Liechtenstein in der Schlacht das Leben gerettet hatten. Daraus leiten sich die bis heute übliche Bezeichnung sowie der Stellenwert als ältestes Kriegerdenkmal Österreichs ab. An weiteren Kunstbauten wurden ebenfalls im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts das Amphitheater, der Schwarze Turm oder den künstlichen Ruinen Rauchkogel und Johannstein errichtet. Der Talkessel unterhalb der Burgruine Mödling, die der Fürst restaurieren ließ, wurde in einen Naturpark, durchzogen von „englischen Wegen“, verwandelt. Darin finden sich eine Schweizerhütte, eine Meierei, ein Jägerhaus und vieles mehr.
Zu Zeiten des Wiener Kongresses besuchten die Könige von Preußen, Sachsen und Dänemark, die russische Zarin, die Königin von Württemberg und andere gekrönte Häupter die Landschaft des heutigen Naturparks Föhrenberge. Auch Erzherzog Johann und später Kaiserin Elisabeth (Sisi) sollten dem Reiz der Landschaft verfallen.
Die vom Fürsten Liechtenstein gestalteten Gebiete im Mödlinger Raum waren aber von Beginn an frei zugänglich. Binnen kürzester Zeit entwickelte sich die „unterösterreichische Schweiz“ zum beliebten Ausflugsziel der erholungssuchenden und lufthungrigen Wiener Gesellschaft der Biedermeierzeit. „Tausende wallen an schönen Sonn- und Feyertagen nach dieser romantischen Gegend, die Fürst Johann in einen einzigen, großen, erhabenen Naturgarten verwandelt hat“, schrieb Josef Haderer 1829.
Besonders Künstler fühlten sich von der Landschaft geradezu magisch angezogen. So soll etwa Franz Schubert sogar beim Husarentempel übernachtet und dabei ziemlich gefroren haben. Ludwig van Beethoven kam erstmals 1799 nach „Möthling aufs Land“ und prägte 1818 das geflügelte Wort von der „Göttlichen Brühl“. Das Erlebnis der Landschaft rund um Mödling inspirierte sein gewaltiges Spät-werk: „Ich wandle hier mit einem Stück Notenpapier in Bergen, Klüften und Tälern umher“, schrieb er in einem Brief, „und kann ganze Tage auf den Mödlinger Bergen bleiben“. Einige Jahrzehnte später machte Richard Wagner ähnliche Erfahrungen: Es war im Herbst 1861, als er niederschrieb: „Mit dem Blick auf herrliche Auen und Bergwälder, prachtvoll von der frühen Sonne beleuchtet, dorthin setzte ich mich und erlebte – still und einsam – die erste schöne Stunde, von der ich erzählen wollte.“ Ähnlich einzelgängerisch veranlagt war Hugo Wolf, der um 1900 in Perchtoldsdorf komponierte. Auch der der Spätromantiker und Wahl-Perchtoldsdorfer Franz Schmidt, der am Rand der Perchtoldsdorfer Heide lebte, hat Naturlebnisse in seinem Werk verarbeitet.
Wo mit den Worten Anton Wildgans‘ die „Lüfte gewürzt sind von dem Dufte der Föhrenwälder“, fanden die Tondichter Schönberg und Webern Muße und Inspiration ebenso wie die Dramatiker und Schriftsteller Franz Grillparzer, Ferdinand Raimund, Franz Th. Csokor, Albert Drach oder Robert Musil. Maler wie Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Gauermann, Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Jakob Alt, oder Gustav Klimt, Herbert Boeckl und Hans Fronius fingen die Naturschönheiten mit Pinsel und Zeichenstift ein.
Von der einzigartigen Stimmung ließen sich Spekulanten aber nicht abschrecken: 1870 wollte der Staat durch den Verkauf rund eines Viertels des Wienerwaldes Geld in die leeren Kassen spülen. Der Journalist Josef Schöffel schrieb gegen diese Pläne an, veröffentlichte kompromittierende Details der geheimen Verhandlungen. Er konnte die Abholzung verhindern und wurde zum „Retter des Wienerwaldes“. Von 1873 bis 1882 war Schöffel Bürgermeister von Mödling und 1969 erfolgte in seinem Geist die Erklärung des rund 6.500 Hektar großen Gebiets zum „Naturpark Föhrenberge.